Freitag, 5. Oktober 2012

Kurzgeschichte ohne Namen #1 (PAMAB)

Es war ein schöner Tag. Doch mit ihm an ihrer Seite war jeder Tag schön. Jenny sah Marc tief in die Augen. Er war ihre wahre Liebe. Das wusste sie genau. Er sah sie mit genau demselben Blick an. Sie wusste, was er dachte. Sie verstand ihn und er verstand sie. Es war wundervoll. Sie saßen auf der Wiese und konnten ihre Augen nicht voneinander lassen. Alles war wundervoll, das Leben war lebenswert. So war es einmal. Inzwischen gab es soetwas nicht mehr. Wenn sie sich heute in die Augen schauten, sahen sie nur Schmerz und Trauer. Jenny hatte Marc verlassen und sich einen Ersatz gesucht, der seiner letztlich aber doch nicht würdig war. Es war ihr egal, sie brauchte körperliche Nähe. Sie wusste, dass es keine Liebe war, was sie empfand, doch es war Nähe, Geborgenheit und Gern-haben und das reichte ihr. Ohne das würde sie untergehen. Marc hatte keine neue Beziehung und Jenny wusste, wie sehr er darunter litt. Auch unter der Trennung. Aber es hatte sein müssen. Er war blind und dumm gewesen, was er im Nachhinein auch zugegeben hatte. Er hatte sich geändert, war nicht mehr so, aber Jenny glaubte ihm das nicht. Manche seiner Verhaltensweisen ähnelten noch immer ein wenig denen von damals und das verwirrte sie. Er hatte ihr immer wieder versichert, dass er niemals wieder dieselben Fehler machen würde, sich gebessert hatte, wenn nötig auch einen Dritten hinzuziehen würde, damit die Streits gelöst werden konnten, aber Jenny wollte nicht nachgeben. Das Vertrauen war zerstört. Nachdem er sie damals angelogen hatte, weil er in einer Phase gewesen war, in der er sehr viel Mitleid gebraucht hatte, und er es ihr dann gestanden hatte, war nichts mehr so wie vorher. Dort hatte der Zerfall begonnen. Es war immer schlimmer geworden. Mehr Streits, mehr Schmerz, er wusste nicht mehr, was er tun konnte und sagte einfach nichts mehr, wenn sie am Telefon weinte. Das hatte sie noch mehr fertig gemacht. Darum hatte sie ihn dann letztlich auch verlassen.
Inzwischen waren sie befreundet. Es war eine komische Art von Freundschaft, aber es war eine Freundschaft. Sie waren schließlich 3 Jahre zusammen gewesen, da wollte man sich nicht einfach aus den Augen verlieren. Marc hatte noch immer diese Stimmungsschwankungen, diese Depressionen, die sie damals schon fertig gemacht hatten. Aber inzwischen wusste man, woran es lag. Marc war manisch-depressiv inklusive ultradian rapid cycling, was bedeutete, dass seine Stimmung von extrem gut gelaunt innerhalb von Minuten grundlos in schwerste Depressionen abrutschen konnte. Marc konnte nichts dafür und das wusste Jenny, trotzdem machte es sie fertig und sie kam damit nicht zurecht. Auch aus solchen Zuständen waren oft schon Streits entstanden. Es war alles in allem nicht schön gewesen. Marc hatte inzwischen Medikamente, die ihm zumindest halfen, ganz lösten sie die Probleme jedoch trotzdem bei Weitem nicht. Jenny hatte seit der Trennung immer das Gefühl gehabt, dass Marc ihr einiges verschwieg', bis er ihr gestern gesagt hatte, dass er das nur tat, um sie nicht runterzuziehen. Er liebte sie immernoch. Er wusste es, auch, wenn er nichts mehr fühlte. Jenny wusste nichts mehr. Sie war komplett verwirrt. Jenny's Handy bimmelte und sie wurde aus ihren Gedanken gerissen. Es war eine SMS von Marc. Sie wollten sich heute treffen, nachdem sie sich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hatten. Es war 12 Uhr, um 15 Uhr waren sie in der Stadt verabredet. Marc hatte ihr zur Erinnerung eine SMS geschrieben, da er schon wusste, dass Jenny wieder in Gedanken vertieft sein und die Zeit vergessen würde. "Nur zur Erinnerung: Du musst bald los. (;". Sie musste lächeln, er kannte sie einfach zu gut. "Ja, ich weiß, keine Sorge, ich bin schon fertig und hätte auch selbst dran gedacht. Trotzdem danke.", war ihre Antwort. Sie stand auf. Sie war wirklich schon fertig, da sie sich bereits bevor sie in Gedanken versunken war angezogen und fertiggemacht hatte. Trotzdem: Hätte Marc nicht diese SMS geschrieben, hätte sie den Bus mit Sicherheit verpasst. Sie spürte etwas auf ihrer Wange. Es war warm, nass und glitt langsam auf ihren Mund zu. Eine Träne. Sie wischte sie weg. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie angefangen hatte zu weinen. Doch es war nun keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Sie musste los. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, war alles in Ordnung, dann auf zur Bushaltestelle. Im Bus sah sie aus dem Fenster und hörte Musik. Ed Sheeran. Drunk. Das war eines von Marcs Lieblingsliedern. Laut eigener Aussage, weil der Text perfekt auf ihn passte. "Nächster Halt: Fasanenpark", rief der Busfahrer. Erschrocken, dass die Zeit so schnell vergangen war, sprang sie von ihrem Sitz auf, drückte den Halteknopf und stolperte zur Tür. Der Bus hielt aprupt und fast wäre Jenny umgefallen, zum Glück hatte sie noch eine der Stangen zum Festhalten erwischt und sich so abfangen können. Die Tür ging auf und sie verließ den Bus. Sah sich um. Da war er. Seit Ewigkeiten hatten sie sich nicht mehr gesehen, jetzt stand er einfach vor ihr. Sie rannte auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Von ihren Emotionen überwältigt gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. Marc lächelte. "Und, was willst du jetzt machen?", fragte er sie, nachdem sie sich begrüßt hatten. "Wie wär's mit Kaffee trinken und reden?", schlug sie vor. "Okay, ich kenn' 'n gutes Café, folg' mir einfach!". So gingen sie die Straße lang und redeten über das, was aktuell so in ihren Leben passierte. Wenn Jenny ihren aktuellen Freund erwähnte, sah sie, wie Marc seinen Blick senkte. Es tat ihm höllisch weh. "Da ist es.", sagte Marc plötzlich und zeigte auf ein Café mit der Aufschrift: "Lisa's Café". "Den Namen kennen wir doch, oder?", kichterte Jenny. Sie hatten früher, als sie noch zusammen waren, mal eine Doppelgängerin von Jenny gesehen, hatten dann darüber gerätzelt, wie sie heißen konnte und exakt zum selben Zeitpunkt "Lisa" gesagt. Dann hatten sie laut losgelacht. Damals. Als alles noch gut war. "Ja, den Namen kennen wir.", erwiderte Marc und grinste. Es war ein trauriges Grinsen. Sie setzten sich und begannen, über die Zeiten von damals zu reden. Sie bemerkten nicht mal, wie ihnen der Kaffee, den sie bestellt hatten, serviert wurde. Irgendwann war Jenny der Kaffee dann aber doch aufgefallen und sie hatte einen Schluck genommen. Er war lauwarm, schon fast kalt. Sie mussten schon Stunden geredet haben. Nach einer negativen Bemerkung von Jenny rechtfertigte Marc sich und begann damit ein Thema, das er besser nicht weitergeführt hätte. Es gab Unstimmigkeiten. Sie begannen zu streiten. Sie begann zu weinen und zu schreien. Marc erwiderte Letzteres. "HÄTTEST DU NICHT DIESE GANZE SCHEIßE GEBAUT, WÄRE ICH JETZT NICHT SO KAPUTT!!!! DU HAST MICH KAPUTT GEMACHT!!! NUR DU!!!", schrie Jenny wütend, traurig und verletzt zugleich. "GLAUBST DU, ICH FÜHL' MICH GUT DESWEGEN?!??! ES TUT MIR LEID!! UNENDLICH LEID!! ABER ICH KANN ES NICHT MEHR RÜCKGÄNGIG MACHEN!!! EINE ZEITMASCHINE HABE ICH LEIDER NICHT!!!". "DU HÄTTEST EINFACH GARNICHT ERST LÜGEN DÜRFEN!!", mit diesen Worten stand sie auf, warf dabei fast ihren Stuhl um und lief über die Straße weg vom Café. "JENNY, WARTE!!". Sie blieb stehen. Sie drehte sich nicht um, aber sie blieb stehen. "Vielleicht sagt er doch einmal das Richtige.", dachte sie. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie drehte sich um. Marc war bereits auf der Straße und auf dem Weg zu ihr. "Ich weiß, es lief nicht immer gut. Aber wir hatten doch auch schöne Zeiten, oder nicht? Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber macht nicht jeder mal Fehler? Ich wünschte mir wirklich, ich könnte sie rückgängig machen, aber ich kann es leider nicht. Ich weiß, dass ich dich nicht verdient habe. Aber ich bitte dich: Lass es uns nochmal versuchen. Wenn ich wieder einen Fehler mache, kann ich verstehen, wenn du mich für immer verlässt. Aber bitte: Gib mir noch eine Chance.". Sein Gesichtsausdruck verriet Jenny, dass er es ernst meinte. Trotzdem war sie zu unsicher. Konnte ihm nicht genug vertrauen. "Marc, nein. Es interessiert mich nicht mehr, ob du dich geändert hast. Es ist mir egal.". Harte Worte. Marc blieb verdutzt und verletzt stehen. "Das-", wollte er gerade seinen Satz beginnen, dann plötzlich das Quietschen von Reifen. Ein Hupen. Ein Knall. Ein Aufschlag. Das Auto kam zum Stillstand und Marc rutschte von der Motorhaube auf den Boden. Er bewegte sich nicht mehr. Jenny war geschockt. Sie war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Mit offenem Mund starrte sie auf Marc. Sie nahm ihre Umwelt nicht mehr wahr. Der Autofahrer des Wagens war ähnlich geschockt, aber bereits in der Lage auszusteigen, was er auch tat. Einige Passanten rannten zu Marc. Zwei hatten bereits ihre Handys gezückt und riefen vermutlich einen Krankenwagen. "M... MARC!!!!!!", brach es plötzlich aus Jenny raus. "MAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAARC!!!!!!!!!". Sie rannte los, hin zu ihm, rammte ein paar der Passanten zur Seite. Fiel auf die Knie. Sah ihn an. Er hatte eine große Platzwunde auf der Stirn, direkt in der mitte. Seine Augen waren offen. Er atmete nicht. "NEIN!!! MARC!!!! NEIN!!!! ES TUT MIR LEID!!! ICH-". "Entschuldigen sie, kennen sie diesen Mann?", unterbrach einer der Passanten sie. "JA!!! ICH WAR 3 JAHRE MIT IHM ZUSAMMEN, 2 DAVON MIT IHM VERLOBT, NATÜRLICH KENNE ICH IHN!!!!!", schrie sie und brach in Tränen aus. "Marc.. Marc, nein.. bitte nicht.. wach auf.. bitte.. wach auf.. Marc, nein..", stammelte sie immer wieder verzweifelt. Dann: Sirenen. Der Notarzt war da. Sie taten sich schwer, Jenny von ihm fernzuhalten. Sie wehrte sich, schrie, wollte wieder zu ihm. Sie war komplett verzweifelt und in Panik. Es konnte nicht so enden. Es durfte nicht so enden. Doch es endete so. Der Arzt erklärte ihn noch an der Unfallstelle für tot und Jenny brach zusammen. Sie hatte mit ihm die schönste Zeit ihres Lebens gehabt und nun sollte er tot sein? Das konnte einfach nicht wahr sein. Es wollte nicht in ihren Kopf rein. Der Notarzt erlaubte ihr nicht, mitzufahren, da sie ja inzwischen schon mehrere Monate getrennt waren. Sie schlug einen der Ärzte, doch ein Zweiter schob sie aus dem Wagen und Marc wurde weggebracht. Ohne Blaulicht. Keine Chance auf Rettung. Es war endgültig vorbei. Sie weinte. Bitterlich. Dann ging sie, noch immer weinend, zur Bushaltestelle. Sie hatte mit ihm über alles reden können, er war der Einzige gewesen, der sie immer verstanden hatte. Mit wem sollte sie jetzt reden? Keiner verstand sie, so, wie er sie verstand. Keiner war so für sie da, wie er für sie da war. Mit Keinem hatte sie so vieles erlebt, wie mit ihm. Sie wusste nichts mehr. Ihr Kopf war leer. Der Bus kam. Jenny war noch zu weit von der Station entfernt, damit der Bus erkannte, dass jemand einsteigen wollte. Jenny wusste, sie musste laufen, um den Bus noch zu erwischen. Sie rannte los. Rechts in der Ferne die Bushaltestelle, links die Straße. Die Tränen liefen ihr die Wangen runter. Plötzlich drehte sie nach links ab. Sie war sich sicher, dass sie so nicht konnte. Es ging nicht. Sie lief vor den Bus. Bremsen. Zum zweiten Mal an diesem Tag ein dumpfer Aufschlag. Jenny wurde durch die Luft geschleudert, schlug auf dem Boden auf, schlitterte über den Boden und blieb etwa 25 Meter vom Bus entfernt liegen. "Vielleicht funktioniert es mit uns da, wo wir beide jetzt hinkommen, besser..", dachte sie, begann zu lächeln und schloss ein letztes Mal ihre Augen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen